Hans-Willy Brockes, Jahrgang 1966, ist seit 1993 Geschäftsführer der ESB Europäische Sponsoring-Börse, dem ersten Marktplatz für Sponsoren und Sucher. Die ESB versteht sich als unabhängiger Anbieter für Seminare, Kongresse, Studien und andere Know-how-Produkte im below-the-line-Markt. 14 Jahre nach Gründung zieht Hans-Willy Brockes in einem Gespräch in den Geschäftsräumen der Kultursponsoring-Agentur Causales in Berlin eine positive Bilanz.
Ein Interview von Eva Neumann und Hans-Conrad Walter.
Neumann: Sehr geehrter Herr Brockes, die ESB-Europäische Sponsoring-Börse wurde 1993 ins Leben gerufen. Welche Ziele waren damit verbunden und welche Trends gaben den Anstoß?
Brockes: Ehrlich gesagt, war die erste Idee recht naiv. Ich dachte, dass wir eine riesige Datenbank mit vielen Sponsoring-Angeboten aufbauen können, die dann gezielt für Unternehmen zusammengestellt werden. Denn die Unternehmen hatten damals, aber auch heute noch, ein Informationsdefizit. Leider war diese naive Idee nicht umsetzbar, weil wir zwar Sponsorengesuche bekamen, diese aber zumeist nicht die interessanten und relevanten Informationen für einen Sponsor enthielten. Also haben wir begonnen mit Seminaren wie „So findet man Sponsoren“ und dann auch Kongresse zu Sportsponsoring und Kultursponsoring. Übrigens 1993 gab es noch kein Internet, entsprechend war die Idee der Datenbank damals wirklich ein guter Gedanke mit hohem Service-Charakter.
Walter: Die ESB ist eine unabhängige Kontaktplattform und betreibt keine Agenturtätigkeit, vermittelt also nicht direkt zwischen Sponsoringnehmer und Sponsoren. Welchen konkreten Nutzen bieten Sie Ihren Kunden innerhalb einer Zusammenarbeit?
Brockes: Das ist richtig. Am einfachsten vergleicht man unsere Tätigkeit mit einer Aktienbörse. Die Börse selbst handelt ja auch nicht mit Aktien, sondern sie stellt den Banken Dienstleistungen zur Verfügung, damit diese die Aktien handeln können. Entsprechend sehen wir die Agenturen quasi in der „Banken-Rolle“. Für Agenturen, aber auch direkt für Sponsoren-Sucher haben wir die Börse im Internet, den Börsenbrief „ESB-aktuell“, der derzeit eine Auflage von ca. 6.000 Exemplaren aufweist und die persönliche Börse in Form des Kongresses Kultursponsoring-Gipfel, den wir anlässlich der ART COLOGNE durchführen.
Neumann: Wie beurteilen Sie nach 14-jähriger Erfahrung die qualitative und quantitative Entwicklung des Sponsoringgeschäftes im deutschsprachigen Raum und welche Innovationen haben die letzten Jahre geprägt?
Brockes: Auch wenn man oft in der Presse anderes liest, so muss man objektiv feststellen, dass Sponsoring sich sehr positiv entwickelt hat. Damit meine ich den echten Austausch von Leistung und Gegenleistung zwischen Unternehmen und gesponserter Organisation. Die Ursache liegt klar auf der Wirtschaftsseite, dass sich nämlich die Unternehmen nach Alternativen zur klassischen Werbung umsehen. Daneben wird das Thema „Kundenbindung“ immer wichtiger. „Hospitality-Angebote“ sind entsprechend mehr und mehr das Top-Angebot.
Neumann: Die Ausgaben der deutschen Unternehmen für Sponsoringmaßnahmen belaufen sich nach Schätzungen auf ca. 4 Milliarden Euro. Der überwiegende Teil wird in die Sparte des Sportsponsorings investiert. Was macht den Sport für Unternehmen so attraktiv?
Brockes: Die Antwort lautet „Professionalität“. Wenn Sie bedenken, dass es kaum professionelle Sponsoring-Abteilungen bei Kultur- oder Sozialinstitutionen gibt, aber bereits bei Fußball-Regionalligisten eine solche Abteilung existiert, dann ist eine der Hauptursachen genannt.
Ein zweiter Vorteil des Sports ist, dass man sich dort mit der Wirtschaft gut identifizieren kann und oft die Sponsoren als ein Teil der „Wertschätzung“ verstanden werden. Ich meine damit, dass ein namhafter Sponsor „stolz“ präsentiert wird. Im Kulturbereich ist das oft noch komplett anders. Wenn ich mir ansehe, wie „verschämt“ oft die Logos von namhaften Sponsoren fast unsichtbar abgebildet werden. In Wirklichkeit signalisieren doch namhafte Wirtschaftsmarken dem Publikum, dass es sich um Qualität handelt. Ich bin auch der Meinung, dass es mit Sponsoren möglich sein müsste, kulturelle Angebote erfolgreicher an breite Bevölkerungsschichten zu bringen.
Walter: Können die anderen gesellschaftlichen Sparten wie Event, Kultur, Soziales oder Wissenschaft diesen Vorsprung aufholen? Es gibt die Wahrnehmung, dass sich die kulturellen Märkte neben dem Sport zunehmend als Investitionsmärkte für die Wirtschaft etablieren.
Brockes: Tatsächlich suchen Unternehmen nach „Erlebniswelten“, um sich und ihre Produkte gegenüber der Konkurrenz zu positionieren. Ich nenne hier das Beispiel von Audi, die sich gezielt mit klassischen Kultursponsoring-Engagements bzgl. Qualität und Anspruch positionieren. Der Sport wird sich aber aller Wahrscheinlichkeit noch dynamischer in der Zukunft entwickeln. Entsprechend wird es diese Umverteilung von Sport in die anderen Sponsoring-Sparten auch nicht geben. Vielmehr wird die Gesamtentwicklung anderen Marketing- und Vertriebs-Instrumenten Budget wegnehmen.
Neumann: Vom 19.- 20. April 2007 fand in Köln parallel zur Art-Cologne zum zweiten Mal der Kultursponsoringgipfel statt. Über 30 Referenten vermittelten 160 Teilnehmern ihre Erfolgsrezepte. Welche Themen werden das Kultursponsoring in den nächsten Jahren prägen?
Brockes: Wir hatten das Motto „Mehr Umsatz durch Kultursponsoring?!“ gewählt und damit hochinteressante Diskussionen und Referatsbeiträge ausgelöst. Dank modernster Technik kann man diese übrigens auch auf DVD nachträglich ansehen. Meiner Meinung nach werden wir konsequent bei Messbarkeit, Bewertbarkeit und Nutzen von Kultursponsoring fortfahren. Die Diskurse zur allgemeinen Bedeutung des Kultursponsorings sind vorbei. Es interessiert weder die allgemeine Bevölkerung noch die Unternehmen wie „selbstlos“ ein Unternehmen ist. Vielmehr sind faire Partnerschaften zwischen Unternehmen aus Wirtschaft und Kultur das Thema.
Neumann: Welche Bedeutung werden zukünftig die Medien innerhalb von Kultursponsoringprojekten haben?
Brockes: Natürlich eine riesige. Ich warte noch immer auf den Tag, dass das Feuilleton seiner journalistischen Aufgabe nachkommt und über die Realitäten berichtet. Zu diesen Realitäten gehört eben auch Kultursponsoring. Das Marktforschungsunternehmen IPSOS hat übrigens ermittelt, dass dreiviertel der Bevölkerung an solchen Informationen interessiert sind. Aber die modernen Medien werden zunehmend auch dieses Informationsdefizit beseitigen. Dazu werden die Kulturschaffenden selbst zum Medium, indem sie beispielsweise im Internet über Sponsoren und deren Engagement berichten.
Walter: Wie beurteilen Sie die Rolle von Agenturen als Dienstleister im Vermittlungsprozess zwischen Kulturprojekten und Wirtschaftsunternehmen in Deutschland?
Brockes: Wie oben beschrieben, sind die Agenturen regelmäßig die Mittler entsprechend den Banken an der Börse. Was mir Kopfschmerzen bereitet ist, dass diese Tätigkeit insbesondere im Nicht-Sport-Bereich katastrophal bezahlt wird. Leider besteht daher nur in Spitzensportbereichen wie dem Fußball eine funktionierende Agenturlandschaft. Was man den Agenturen vorwerfen muss ist, dass sie zum Teil eben auch keine anwendbaren Finanzierungsmodelle gefunden haben. Wir plädieren dafür, dass jede Art von Sponsoring-Vermittlung sowohl fixe wie auch variable Honorierungsanteile hat. Nur so kann man fixe Kostenblöcke und die beidseitige Abhängigkeit vom Erfolg in einen vernünftigen Zusammenhang bringen.
Neumann / Walter: Herr Brockes, vielen Dank für das Interview.