Dr. Claudia Witzemann, Principalin bei A.T. Kearney, Wien
Kunst braucht Innovation, um auch in Zukunft überleben zu können.
Der Handlungsdruck auf Kultureinrichtungen in Deutschland steigt. Bis zum Jahr 2020 sind rund 10 % der Kultureinrichtungen von der Schließung bedroht und dies, obwohl die Ausgaben für Freizeit und Kultur in Deutschland kontinuierlich steigen. Betroffen sind insbesondere kleinere Kultureinrichtungen und solche, die von Gemeinden gefördert werden. Gründe hierfür sind die immer weiter steigenden Kosten, die bis 2020 um rund ein Viertel anwachsen werden sowie der Rückgang der öffentlichen Zuschüsse, die im selben Zeitraum um etwa acht bis zehn Prozent sinken werden. Dies zeigt eine Studie von A.T. Kearney. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Verhältnis von Eigenfinanzierung und Fördermitteln von ausgewählten Kulturinstitutionen aus Deutschland und Österreich im internationalen Vergleich. Während sich die Londoner Tate Modern und das New Yorker Metropolitan Museum of Art überwiegend selbst finanzieren ist bei deutschen Kulturinstitutionen klarer Aufholbedarf erkennbar.
Kulturinteressierte Besucher als Konsumenten begreifen
Ein wesentlicher Hebel zur Finanzierung von Kultureinrichtungen ist eine verstärkte Ausrichtung auf den kulturinteressierten Besucher, der auch als Konsument begriffen werden sollte. Aber auch eine stärkere Einbindung von Einzelhändlern und Gastronomen sowie das Anbieten eines eigenen Veranstaltungsservices tragen enormes Potenzial und Möglichkeiten zur Eigenfinanzierung in sich. Durch eine stärkere Verankerung des Kulturkonsumenten-Bereichs können die Budgets der Institutionen um bis zu 30 % erhöht werden, aber auch hier sind innovative Konzepte notwendig, um vorhandene Potenziale zu nutzen. Durch publikumswirksame Sonderausstellungen können Museen ihre Besucherzahlen und damit auch ihre Bekanntheit deutlich steigern. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der 2009 stattgefundenen Ausstellung „Der Blaue Reiter“ des Museums Frieder Burda in Baden-Baden, die zu einer Verdopplung der durchschnittlichen Besucherzahlen im Ausstellungszeitraum geführt hat.
Neue Geschäftsfelder im Bereich Einzelhandel und Gastronomie
Auch bei den Shops der Kulturinstitutionsbetreiber ist Verbesserungspotenzial er- kennbar. So bedienen sich moderne Kulturinstitutionen für ihre Shops professioneller Einzelhändler, die die Umsätze pro Besucher von durchschnittlich zwei bis drei Euro auf bis zu zwölf Euro pro Besucher steigern können (Abbildung 2).
Dazu gehört auch ein professioneller Internetshop, der bei einzelnen Best Practice- Beispielen, wie dem Metropolitan Museum of Art in New York oder der Tate Modern mehrere Millionen Euro einbringen kann. Betreiber von Museumsshops etablieren sich bereits im Markt. Beispiele sind Cedon mit bereits zehn Standorten in Deutschland und Österreich oder Gerstenberger mit derzeit sieben Standorten in Deutschland. Im Gastronomiebereich setzen Kultureinrichtungen ebenfalls vermehrt auf professionelle Dienstleister, so zum Beispiel auf Do&Co im BMW Museum in München und in der Albertina in Wien oder den Österreicher im Museum für angewandte Kunst in Wien. Teilweise wird sogar mit Star-Köchen zusammen gearbeitet wie beispielsweise mit Sarah Wiener im Museum für Gegenwart in Berlin. Dies erhöht nicht nur die Miet- bzw. Pachteinnahmen des Museums, sondern stärkt auch wesentlich das Image und die Bekanntheit der Institution, was letztlich zu steigenden Besucherzahlen führt. In diesem Bereich ist die Entstehung von Kulturgastronomie-Betreibern festzustellen, wie Kaefer mit drei Standorten in Münchner Theatern oder Do&Co mit bereits drei Standorten in Wien, München und London. Das Metropolitan Museum of Art hat den The Trustees Dining Room und die The Patrons Lounge exklusiv für Mitglieder geschaffen, in der Londoner Tate Modern gibt es mit dem Members Room ebenfalls einen Raum mit einem Gastronomieangebot exklusiv für Mitglieder. Beide Einrichtungen erfreuen sich großer Beliebtheit und dienen zudem als Mittel einer langfristigen Kundenbindung an die Kultureinrichtung.
Anbieten eigener Veranstaltungsservices
Im Bereich Veranstaltungen haben Kultureinrichtungen in der Vergangenheit lediglich Räumlichkeiten vermietet und so Mieteinnahmen generiert. Potenzial bieten aber insbesondere neue, innovative Konzepte, bei denen die Kulturinstitutionen selbst zum Veranstalter werden. Best Practice hier ist ebenfalls das Metropolitan Museum of Art in New York, das sowohl eine weltberühmte Gala als auch Kunstreisen veranstaltet. Ein weiteres Beispiel ist das Belvedere in Österreich, das mit der Veranstaltung Kunst und Kulinarik Besucher anzieht und im Kindermalen die nächste Generation für Kunst begeistern will.
Vor allem bei kleineren Museen und Kulturinstitutionen bietet sich eine Marktpositionierung mit Tourismusveranstaltungen sowie mit Veranstaltungen für die lokale Bevölkerung an. Potenzial bietet hier zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Tourismusbüros hinsichtlich der Organisation von Reiseveranstaltungen, die zum Beispiel Gastronomie und Kultur verbinden. Aber auch Literaturabende, Veranstaltungen für Kindermalen und die Ausrichtung von Bällen stellen eine vielversprechende Möglichkeit dar, die lokale Bevölkerung zu adressieren und sich somit breiter aufzustellen und den Eigenfinanzierungsanteil zu erhöhen.
Die Beispiele zeigen, dass der Schaffung von neuen Finanzierungsformen für Kulturinstitutionen keine Grenzen gesetzt sind. Anstatt an alten Gewohnheiten festzuhalten ist die innovative Weiterentwicklung für Kulturinstitutionen überlebenswichtig. Hierbei wird der Fokus neben der inhaltlichen Gestaltung ganz klar auch auf der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung liegen, damit die Gratwanderung zwischen kulturellem und wirtschaftlichem Interesse gelingt.