Ob beim Public Viewing auf der Museumsmeile oder ganz traditionsbewusst in der Beethovenhalle – knapp 45.000 Menschen besuchten 2009 das Beethovenfest Bonn. Wo viele Festbesucher sind, profitieren naturgemäß auch der Einzelhandel, die Gastronomen und Hoteliers. Erstmalig wurde im Juni dieses Jahres eine Studie zur Wirtschaftlichkeit des Beethovenfestes Bonn veröffentlicht.
Kristin Just von der Agentur Causales sprach mit dem Kaufmännischen Direktor Helmut Pojunke über die wirtschaftlichen Effekte des Beethovenfestes und die Bedeutung von Kultur für den Standort Bonn.
Just: Sehr geehrter Herr Pojunke, letztes Jahr brachte das Beethovenfest für die Stadt Bonn und die Region das Vierfache von dem, was die Stadt als Trägerin der gGmbH investiert hat. Zunahme an Kaufkraft insgesamt: 5,3 Millionen Euro, Ausgaben der Stadt: 1,3 Millionen. Offensichtlich lohnt sich das Beethovenfest für Bonn. Empfehlen Sie auch anderen Kulturanbietern ihre Wirtschaftlichkeit zu messen?
Pojunke: Ja. Die Zeiten, in denen in den Städten ausschließlich über die inhaltliche Bedeutung von kulturellen Angeboten diskutiert worden ist, sind eindeutig vorbei. Man mag das bedauern, die Situation ändert sich dadurch jedoch nicht. Insofern ist eine seriös erhobene Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von Kultur sicherlich ein Pluspunkt in der Diskussion mit Politikern und privaten Förderern. Allerdings muss man aus meiner Sicht als Kulturschaffender auch immer klar machen, dass diese Betrachtungsweise nur einen Aspekt abbildet, und dass durch eine einseitige betriebswirtschaftliche Betrachtung eine kulturelle Marke zerstört werden kann, nämlich dann, wenn nur noch auf möglichst große Popularität geachtet wird. Für viele Kulturveranstaltungen wäre das kontraproduktiv.
Just: Wie nutzt das Beethovenfest die Studie und ihre Ergebnisse?
Pojunke: Wir haben die Studie gemeinsam mit dem Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch vorgestellt. Insgesamt konnten wir ein großes Medienecho erreichen, inklusive einem Bericht im lokalen Fernsehen. Mein Eindruck ist, dass die Botschaft bei vielen Menschen angekommen ist. Und für zukünftige Diskussionen haben wir jetzt natürlich hervorragende Argumente in der Hand.
Just: Konnten Sie, mit der Studie als Argumentationsgrundlage, weitere private Förderer für das Beethovenfest begeistern?
Pojunke: Das Beethovenfest Bonn wird seit dem Neubeginn 1999 von vielen Partnern sehr kontinuierlich unterstützt, allen voran von seinen Hauptsponsoren Deutsche Post DHL, Deutsche Welle und Sparkasse KölnBonn. Im Sponsoring ist Kontinuität und Glaubwürdigkeit wichtig. Wenn sich ein neuer Partner entschließt, das Beethovenfest zu fördern, ist das oft das Ergebnis längerer Gespräche. Die Studie wirkt hier unterstützend.
Just: Die Stadt Bonn hat den Nimbus des sterilen Regierungssitzes auch nach Jahren nicht endgültig ablegen können. Welche Chancen eröffnen sich durch den Imagewechsel vom Politik- zum Kulturstandort?
Pojunke: Bonn ist schon längst nicht mehr die Beamtenstadt, als die sie in den vergangenen Jahrzehnten gegolten hat. Vielmehr hat sich hier eine sehr internationale, junge und mobile Bevölkerung niedergelassen, die die gute Infrastruktur am Rande der großen Zentren wie Köln und dem Ruhrgebiet schätzt. Die Ansiedlung der Vereinten Nationen, Betriebe im Bereich der Logistik und Telekommunikation sind das wirtschaftliche Rückrat, und das hat die Entwicklung der Stadt im 21. Jahrhundert vorangetrieben. Für diese Wissensarbeiter ist ein attraktives kulturelles Umfeld wichtig und das Gefühl, sich mit einer Stadt identifizieren zu können. Dabei ist die lebendige Auseinandersetzung mit einem der größten Komponisten der Welt, Ludwig van Beethoven ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Baustein.
Just: Welche Bedeutung hat das Beethovenfest für die Stadt Bonn aus Ihrer Sicht?
Pojunke: Beethoven ist eine internationale Marke. Sein Werk ist weltweit bekannt und wird verehrt. Gerade in Asien und Amerika reicht kein anderer Komponist an seine Bekanntheit heran. Das Beethovenfest ist zusammen mit dem Beethoven-Haus Bonn, seinem Geburtshaus, der wichtigste Kulturanbieter, der das Erbe der Beethovenstadt Bonn erlebbar macht. Das Image als Beethovenstadt ist für Bonn eine riesige Chance und Verpflichtung zugleich: Chance, weil die Stadt damit unverwechselbar ist und im Wettbewerb der Regionen Aufmerksamkeit erzielen kann, Verpflichtung, weil dieses Erbe stets neu mit Leben erfüllt werden muss, um nicht zum reinen Marketinginstrument zu verkommen. Die Entscheidung der Stadt, mit dem neuen Stadtlogo „Freude.Joy.Joie.Bonn“ dieses Erbe aufzugreifen, ist folgerichtig.
Just: Von welchen ökonomischen Effekten profitiert der Standort Bonn?
Pojunke: Die Studie hat gezeigt, dass die Stadt im Wesentlichen von zwei Effekten profitiert: einerseits löst das Beethovenfest Bonn eine sehr umfangreiche, fast ausschließlich positive Berichterstattung aus, deren messbarer Gegenwert weit über den städtischen Zuschuss hinausgeht. Wichtig ist, dass mit dieser Berichterstattung immer das Image Bonns als Beethovenstadt transportiert wird, also die Ergebnisse der Arbeit des Beethovenfests voll der Stadtmarke Bonns als Beethovenstadt zu Gute kommen. Andererseits löst das Festival erhebliche Zuflüsse von Kaufkraft in die Region aus, die nicht nur von den eingeladenen Künstlern und den auswärtigen Besuchern, sondern auch in großem Umfang von den Sponsoren verursacht werden. Das wiederum führt zu Steuereinnahmen bei den regionalen Leistungsanbietern.
Just: Gibt es ein ganzheitliches Konzept für den Kulturstandort Bonn?
Pojunke: Nein. Der vor einem Jahr gewählte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat jedoch angekündigt, dass ein Kulturkonzept jetzt zeitnah erarbeitet werden soll.
Just: Im Mai wurde in einem Gespräch zwischen den Vorstandsvorsitzenden von Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Deutsche Postbank AG sowie der städtischen Verwaltungsspitze der Bau des geplanten Festspielhauses auf Eis gelegt. Einer der Gründe: die wirtschaftliche Situation der Stadt Bonn verlangt derzeit andere Prioritäten. Haben die positiven Ergebnisse der Studie der Diskussion erneut Nahrung gegeben?
Pojunke: Die Diskussion um das Beethoven Festspielhaus in Bonn ist sehr komplex – ein Argument der Befürworter waren immer die erwarteten positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft, die die Studie eindrucksvoll belegt hat. Aber es gibt andere Aspekte, die in der Politik und in der Bevölkerung einer weiteren Auseinandersetzung bedürfen. Dazu gehört der Umgang mit dem denkmalgeschützten Vorgängerbau, der Beethovenhalle, genauso wie ein Betriebskonzept, das die inhaltliche Ausrichtung eines Festspielhauses für alle Bürger deutlich machen muss.
Just: Sehr geehrter Herr Pojunke, wann kommt das Festspielhaus?
Pojunke: Im Jahr 2020 feiert die Welt den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens. Ohne Bonn als zentralen deutschen Austragungsort kann ich mir dieses Jubiläum nicht vorstellen. Und dazu gehört ohne Frage eine Spielstätte, die architektonisch und akustisch der Bedeutung Beethovens gerecht wird.
Vielen Dank für das Gespräch!